Warum Goretex & Co nicht immer funktionieren

Glaubt man oberflächlichen Werbebotschaften, sind Schuhe mit Membranen, wie beispielsweise Goretex wasserdicht und klimaneutralisierend. Das ist unter bestimmten Umständen absolut zutreffend, aber auch Goretex & Co sind keine Wundermittel. Sie funktionieren nur, wenn die physikalischen Grundbedingungen stimmen.

Funktionsmaterial ist im Sport allgegenwärtig: Der Sammelbegriff steht für Kunststofffasern, die Feuchtigkeit nach außen abgeben und so für ein trockenes Gefühl auf der Haut sorgen. Als Robert W. Gore 1969 eher zufällig das nylonbasierte Material PTFE starkem Zug aussetzte, stellte er dabei fest, dass das Material nach der spontanen Streckung Miniaturlöcher aufwies, die zwar Wasserdampfteilchen in eine Richtung entweichen ließen, einen äußeren Wassertropfenaufschlag aber zuverlässig abwehrten. Das war die Geburtsstunde der Goretex-Membran, die in zahlreichen Branchen für echte Innovationen sorgte. Auch Hersteller von Outdoorbekleidung und Schuhen wurden auf die segensreichen Eigenschaften von Gores Erfindung aufmerksam. Und seither ist der Siegeszug von Membranen für Outdoortextilien und Schuhe ungebremst.

Natürlich gibt es inzwischen hunderte Alternativ-Membranen unzähliger Hersteller. Aber Goretex hat es über die Jahre geschafft, das zu werden, wovon so viele Produktmanager für ihre Produkte träumen: zum Gattungsbegriff zu werden. So schlüpfen Spaziergänger seit Jahren bei Regen in ihre „Goretex-Jacke“ und Wanderer vertrauen bei Schlechtwetter-Touren am liebsten auf ihre „Goretex-Schuhe“ – unbeachtet dessen, wer die Ausrüstung tatsächlich hergestellt hat und welche Membran verarbeitet wurde.

Kühles Wetter und niedrige Luftfeuchtigkeit sind ideale Goretex-Bedingungen

Auch wenn die Werbung uns Glauben macht, Goretex sei eine „intelligente“ Membran, die bei jeder Witterung für ein gutes Klima im Schuh sorgt, sieht die Realität anders aus. Das hat einfache physikalische Gründe: Bei Aktivität entstehen im Schuh Wärme und Wasserdampf durch Schweiß. Diese warme, feuchte Luft entweicht besonders dann gerne nach draußen, wenn es draußen kalt ist und die Umgebungsluft eher trocken – genau das bringt die Goretex-Membran zu Höchstleistungen. Durch die Membran drängt die feuchtwarme Luft Richtung Niedrigtemperatur und trockene Luft nach außen. In der Folge wird es im Schuh nachweislich trockener und kühler.

Sind die atmosphärischen Bedingungen draußen jedoch extremer als jene im Schuh, kommt es kaum zum beabsichtigten Austausch der warmen Feuchtigkeit aus dem Schuhinneren nach außen. Denselben Effekt kennen wir vom Wäschetrocknen: Ist die Umgebungsluft mit Feuchtigkeit gesättigt, nimmt die Luft keine weitere Feuchtigkeit auf und die Wäsche bleibt lange feucht und klamm.

Es kommt ein zweiter Faktor hinzu, den wir ebenfalls aus anderen textilen Bereichen kennen: Eine Membran ist grundsätzlich aus Kunststoff hergestellt. Kunststoffe wärmen sich extrem auf. Im Sommer stecken unsere Wanderfüße also in einer sehr warmen Kunststoffhülle, die für eine extrem aktive Schweißproduktion sorgt. Durch den warmen Kunststoff steigt also die Feuchtigkeit im Schuh erheblich. Dabei hätte die Membran bei diesen Klimabedingungen (innen und außen warm) schon bei normaler Schweißproduktion große Probleme, die Feuchtigkeit zuverlässig nach außen abzutransportieren.

Mehrere Schuhe und cleveres Sockenmanagement sind die Lösung

Trotz dieser Einschränkungen ist Goretex im Schuh bei vielen Witterungsbedingungen eine äußerst willkommene und gut funktionierende Technologie – aber eben nicht immer. Wer auf gutes Fußklima achtet, muss sich also den Witterungsbedingungen anpassen. So empfiehlt es sich, in den heißen Monaten auf Schuhe aus reinem Leder zu setzen. Qualitätsleder hat kühlende Eigenschaften und lässt Feuchtigkeit auch bei hohen Temperaturen gut entweichen. Bei vielen Premiumherstellern wie beispielsweise Lowa oder Meindl, gibt es die gängigen Wanderschuhmodelle mit oder ohne Goretex zu kaufen. Eine Investition in beide Varianten ist für aktive Bergmenschen und Vielwanderer auf jeden Fall empfehlenswert. Denn so können sie auf jede Witterung entsprechend reagieren.

Doch der Schuh alleine genügt nicht, um die Füße trockener zu halten. Ebenso wichtig sind die Socken. Bei klimatisch schwierigen Bedingungen, wie oben beschrieben, solltest du schnell trocknende Wechselsocken im Gepäck haben. Das gilt für Schuhe mit und ohne Membran. Wandersocken von Wrightsock beispielsweise sind aus hochwertigen Funktionsfasern gefertigt, die enorm schnell trocknen. Sobald du spürst, dass die Socken im Schuh feucht werden, solltest du bei der nächsten Rast einen Sockenwechsel vornehmen. Die feuchten Socken kannst du außen am Rucksack befestigen und während deines Weitermarschs trocknen lassen. So vermeidest du, dass die Feuchtigkeit ins Schuhleder kriecht und sorgst dafür, dass der Schuh insgesamt trocken bleibt – eine wichtige Voraussetzung dafür, Blasen zu vermeiden.

Autor: Christian Bonk / tastenfeuer.de

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